Samstag, 10. November 2007

Stell dir vor...

Draußen ist es dunkel. Die Scheiben vom Bus dreckig. Es regnet. In der Mitte des Schlenckerbusses werde ich hin und her geschüttelt. Logh singt "The Big Sleep". Es nieselt leise gegen die Scheiben. Die Räder saugen das Wasser auf und speien es gegen den Unterboden. Wie rauschendes Wasser im Hintergrund bei der Aufnahme von "The Big Sleep".
An der Bushaltestelle fahren so viele verschiedene Autos vorbei. "Die Diversifikation in unserer Modellpalette ist zu hoch. Die Komplexität der Produktionsprozesse nimmt immer mehr zu - jeder möchte das Auto nach seinen individuellen Wünschen gefertigt haben. Dieses Geschäftsmodell ist bald nichtmehr tragbar. Wir sind auf dem Weg unsere Markenvielfalt zu verringern. Hin zu mehr Transparenz und Übersichtlichkeit im Produktkatalog." So ähnlich schrieb vor kurzem ein Manager eines großen Autokonzerns.
3 Busse fahren hintereinander in die Haltestelle ein. Hinter dem ersten fährt eine Straßenbahn. Die einzige Linie die es gibt. Gut ausgelastet. Auch die Busse. Jeden Tag voll besetzt. Ein einträgliches Geschäft sollte man meinen. Neben der Haltestelle brummen die Autos im stockenden Verkehr. Was, wenn es eines Tages keine mehr gibt in unseren Städten? Weil Sprit so teuer geworden ist dass man es sich nicht mehr leisten kann die 2km ins Stadtzentrum mit dem Auto zu fahren. Oder weil die knappen Ressourcen reserviert sind. Für Busse, Rettungsfahrzeuge. Ein reicher Geschäftsmann sammelt Gelder und sucht Unternhehmen. Er möchte das Elektroauto serienfertig und einsatztauglich machen. Ein gut ausgebautes Netz an Aufladestationen muss her. "Elektroautos sind kaum umweltschädigend." "Und Strom kommt aus der Steckdose", möchte man hinzufügen. Der ökologische Rucksack eines Elektroautos dürfte weit aus größer sein als seine Emissionsbilanz. Stell dir vor es gibt eines Tages keine Autos mehr in der Stadt. "Wir schließen uns in unseren Wohnungen ein. Investieren in Lärmschutzfenster um den Krach der Straße von uns fern zu halten. Wir lüften nur nachts. Am Tage ist die Luft draußen unerträglich. Wir kuschen zurück vor dem Verkehr vor unserer Haustür. Er beherrscht uns, diktiert uns Verhaltensweisen. Treibt uns hinaus aufs Land. >>Da ist die Luft besser. Ich möchte nicht dass meine Kinder in der Stadt aufwachsen.<<, hört man die Leute sagen. Das ist UNSERE Stadt.", so postete eine Frau in einem Forum. WIR sind die Menschen, Autos sind Fortbewegungsmittel. Schmutzige Sklaven. Warum sie nicht sauberer gestalten. Zum Wohle der Umwelt und des Geldbeutels. Was, wenn es eines Tages keine Autos mehr gibt. Geh durch die Stadt und stell es dir vor. - Unvorstellbar. - Unvorstellbar schön? - Erschreckend. - "Lächerlich", werden unsere Kindere sagen, " wie ihr euch damals fortbewegt habt". Von der Party angetrunken mit dem Bus nach Hause ist heute fast eine Selbstverständlichkeit. Nüchtern mit dem Bus zur Arbeit heute noch vielerorts undenkbar. "Lächerlich", denke ich mir. Aber insgeheim möchte auch ich gelegentlich in einem Auto sitzen und in den Urlaub fahren. Oder Freunde in 560km Entfernung besuchen. Ich gönne mir jetzt einen Martini. Hätte ich ein Auto zu finanzieren wäre das nicht möglich - finanziell gesehen. Eine Monatskarte für die ganze Stadt kostet mich 33€. Aus dem Haus gehen, einsteigen, losfahren. Kein lästiges Tanken, Auto waschen, Scheibenkratzen. Im Bus ist es warm, die Scheiben sind dreckig, der Fahrer regt sich über einen rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer auf - nicht mein Problem. Ich höre Logh. Und versuche mir vorzustellen wie es ist wenn es keine Autos mehr auf den Straßen gibt - UNVORSTELLBAR.

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