Samstag, 18. Juni 2011

Source Code - Der Film

 --- spoiler Alert ---
Oh man - schon wieder eine Verschwendung von anderthalb Stunden Lebenszeit die ich in die ersten Folgen der dritten Staffel von United States of Tara hätte investieren können. 
Die Idee, einen Mann im Körper eines Passagiers zurück in den Zug zu schicken, genau 8 Minuten bevor er durch einen terroristischen Anschlag explodiert, klang für mich sehr verlockend, zumal ich im letzten Jahr von Duncan Jones' Filmdebüt Moon sehr begeistert war.
Der Film verdient nicht einmal ansatzweise das Label "Science Fiction". Selbst für einen rein fiktionalen Film ist die Umsetzung der Idee zu schwach. Die Theorie, dass sich das Bild, welches der Verstorbene als letztes gesehen hat, auf seiner Netzhaut "einbrennt", ist unter dem Stichwort Optographie zu finden. Im letzten Jahr gab es auf der ehemaligen Nachrichtenseite Spiegel Online einen interessanten Artikel zur Geschichte und wissenschaftlichen Nachweisbarkeit dieses Phänomens. Das Ganze weiter zu spinnen und aus den zerfetzten Retinas der Toten eine virtuelle Realität zu zaubern ist eine unverhoffte Erkenntnis, die erst im Laufe des Films dem Zuschauer offenbart wird. Der Vogel wird aber vollends abgeschossen, als tatsächlich eine SMS von der Unrealität in die Realität geschickt wird. Diese unlogische Handlung herbei zu zaubern um das Hollywood-Klischee "Happy End" und "Liebe siegt über alles" zu bedienen zeugt in meinen Augen von der Verzweiflung des Autors, dem Film einen Sinn und vermeintlich geschlossenen Rahmen und somit auch eine Daseinsberechtigung zu geben.
Mission accomplished würd ich sagen - und zwar im Bush'schen Sinne:
http://www.commondreams.org/headlines03/images/1030-02.jpg

Ein positives Beispiel für richtig gut inszeniertes Science Fiction ist die Thematisierung der Dyson-Sphäre in der vor kurzem erneut auf Tele5 ausgestrahlten Folge von Star Trek - Das nächste Jahrhundert (s06e04).

In diesem Sinne - postet in den comments was ihr von dem Film haltet und welchen es sich lohnt in Zukunft mal zu schauen.

Montag, 13. Juni 2011

Houellebecq ist weich geworden

Diesen Eindruck hatte ich beim Lesen seines neuen Romans "Karte und Gebiet". 
Die seicht dahin plänkelnde Geschichte eines Künstlers der sich von einer Profession zur nächsten hangelt und als Sprungbrett genutzt wird um gegen Ende des Romans die zwei versprochenen Morde zu präsentieren scheint nicht vom Meister des verbalen Blutgrätschens geschrieben worden zu sein.
Erst auf den letzten fünfzig Seiten bringt Houellebecq seine gesamte Wortgewaltigkeit und beschreibende Darstellungskraft wirklich zu Papier und lässt mich als großem Fan seiner Romane und Gedichte über dem Boden schwebend zurück - nicht wissend ob ich beim Blick nach unten feststelle, dass ich mich nur zehn Zentimeter über dem Boden befinde und sanft aufkommen oder nach einem Fall aus dreiundzwanzig Kilometern Höhe als Haifischhusten im Meer versinken werde. 
Die Darstellung der Personen, die Beschreibung ihrer Lebensumstände und Handlungen im Frankreich des Ausklingenden ersten Jahrzehnts des einundzwanzigsten Jahrhunderts grenzt schon fast an die Szenerie eines Heimatfilms. An jeder Ecke finden sich kleine Wehwehchen der Akteure, die diese jedoch mit Eleganz und Standhaftigkeit (er-)tragen.Als Houellebecq dann auch noch mit einer Lobhudelei auf die Standhaftigkeit und Robustheit der französischen Wirtschaft und die großartige Krisenfestigkeit des Tourismus abschließt, fange ich an zu überlegen, was mich dazu gebracht hat, fast 10% meines staatlich genehmigten Geldes "zur Sicherung des Lebensunterhaltes" für diesen Schinken auszugeben. Doch nachdem die vermeintlich letzte Seite gelesen war, musste ich feststellen, dass ein Buch erst ausgelesen ist, wenn man auch den Epilog durchgeblättert hat.
Diese besagten 50 Seiten haben die ganze Geschichte in das wundervolle Licht der Erkenntnis gerückt. Die Verschwendungssucht und Dekadentheit des Künstlers wird ebenso bildreich im Zeitraffer dargestellt wie die Auflösung der Motivation zum Betreiben der Fotografie. Die fantastische Beschreibung der Vergänglichkeit von Bilde, von Besitzständen - ja selbst der Natur - könnte keine BBC-N24-Kabel1-Weltuntergangs"dokumentation" besser wiedergeben als der Film, der sich beim Lesen in meinem Kopf abgespielt hat. 
Und selbst wenn die Zeit beim Lesen der prä-Epilog-Seiten mal etwas langsamer verging, konnte ich mir doch gewiss sein, sehr schnell wieder aufzuschrecken und mir meiner lesenden Tätigkeit bewusst zu werden: Literaturexperten werden wahrscheinlich die bewusste Verwendung eines stilistischen Mittels reininterpretieren, Studenten der Medienwissenschaften vielleicht ein geschickt eingesetztes product placement wittern, Wissenschaftler des relativ neuen Zweiges neuroeconomics würden mir gerne mit Marketingfritzen zusammen beim Lesen der Worte: "Der Autor von Elementarteilchen erwiderte...", "Der Autor des Buches Plattform sah ...", "Der Autor von Elementarteilchen ging ..." in den Kopf  schauen. Es ist spannend zu erfahren, wie sich der Autor in seinem eigenen Roman selber als Autor und Menschen beschreibt. Aber auf jeder zweiten Seite auf seine Bücher hingewiesen zu werden statt ein entsprechendes Synonym wie den Namen vorzufinden hat mich echt auf die Palme gebracht.

Nachdem ich am Pfingstsonntag meinen Stapel der ungelesenen Bücher beim Bücherbummel auf der Kö in Düsseldorf um weitere 8 Exemplare erweitert habe werde ich mich jetzt Richard Dawkins' "Der blinde Uhrmacher" zuwenden. Ich kann mir vorstellen dass dazu die Doppel-LP "50 Jahre Don Kosaken Chor" ganz gut klingt - die war für 4€ ein echtes "Wie Neu"-Schnäppchen auf dem Bücherbummel. (-:

Zunächst wird der Abend aber mit einer Folge von United States of Tara ausklingen. Eine Serie, die mich ob der tragisch verzweifelten, zum Teil komischen Charaktere, zur Zeit selbige genauso vergessen lässt, wie das wieder entdeckte In Treatment mit einem überragenden Gabriel Byrne. Um die abgewandelten Worte von Lars von Trier zu verwenden: Ich kann mich in die Menschen echt rein versetzen und sie verstehen.