Montag, 30. Mai 2011

Ein Abend mit Lars von Trier

Jetzt wo ich etwas freie Zeit habe kann ich mich in aller Ruhe und je nach Muße ein paar interessanten Projekten widmen. So habe ich meine Houellebecq-Bibliothek mit seinem neusten Werk vervollständigt. Und da mir nach einem Woody Allen-Film nicht der Sinn stand (auch ein Projekt ;-) ), The Cleveland Show schon die ganzen letzten Tage lief, habe ich Lars von Triers Dogville ausgepackt. Nachdem ich im letzten Jahr seinen Film Antichrist geschaut hatte waren die Erwartungen an den Drehbuch schreibenden und Regie führenden von Trier sehr hoch. Und den Glenfiddich habe ich mir zum Abspann gegönnt um den Sturz von der Höhe des Spannungsbogens zurück auf den Boden etwas abzumildern.
Von Trier versteht es auf eine einmalige Art und Weise Erzählung, Dialoge und wundervoll einfühlsame Musik miteinander zu einem bezaubernden Kunstwerk zu verknüpfen. Kein Film hat es bisher geschafft bei mir ein Verlangen nach sterbenden Menschen auszulösen. Ich kann es schwer in Worte fassen wie sich mein Ekel vor dieser verbitterten Dorfgemeinschaftgesellschaft von Kapitel zu Kapitel gesteigert hat. Das nüchterne Bühnenbild, die klare Struktur mit punktgenauen Kapitelüberschriften und die Unfähigkeit von Grace, sich wenigstens ansatzweise verbal zur Wehr zu setzen, haben sämtliche anfangs aufkommende Mitleidsgefühle im Keim erstickt.
Im Gegensatz zu seinem Film Antichrist, wirken hier Triebe durch den Verzicht auf voyeuristisch gefilmte Gewaltszenen und bis zum Exzess ausgeschlachtete sexuelle Praktiken, als rein menschlich und in der gesamten Gesellschaft verbreitet dargestellt. Und weder die Hingabe zur Natur noch das Beschäftigen mit Philosophie und Logik schaffen es, dass wir uns von einem Hund mehr als nur durch den aufrechten Gang unterscheiden. Es ist jederzeit möglich in den Herdentrieb zu verfallen und Schwächere zu unterdrücken, zu terrorisieren und auszubeuten - alles unter dem Deckmantel der Legitimisierung durch die Gruppe. Wer mitfühlend und vergebungsbereit ist und ehrlich mit seinen Schwächen umgeht, kann jedoch schnell aus der Gruppe ausgeschlossen werden - das in jedem von uns steckende Verlangen nach Zugehörigkeit und Anerkennung führt dann in eine sich immer schneller drehende Spirale aus Gleichgültigkeit, Mitleid und Hilflosigkeit und scließlich dazu, dass sich von der Herde ausgestoßene Tiere zu einem neuen Zweckbündnis zusammenschließen, um die Herde von ihrem schmachvollen Dasein zu erlösen und "die Welt etwas besser zu machen".
Ich sehe gerade, dass auf der DVD noch Extras zu "Gedanken - Ideen - Ispirationen von Lars von Trier" drauf sind. Die werde ich mir noch durchlesen um mein Verlangen auf seinen nächsten Film auf fundierte Füße zu stellen und einen tieferen Einblick in die Denke des Drehbuchautors zu bekommen.